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…dass Opposition so nötig sei wie ein entzündeter Blinddarm?

2020 Ausgabe 3 September 2020 Autor: Jürgen Beck

von Jürgen Beck

Geschätzte Leser, Sie können sich sicher vorstellen, dass ich während meiner aktiven politischen Zeit – 8 Jahre als Gemeinderat von Vaduz und nun fast 12 Jahre als Landtagsabgeordneter – so manchen mehr oder weniger gut gemeinten Ratschlag bekommen habe. Im Nachgang der Abstimmungen vom 30. August habe ich mich an eine Aussage eines hochrangigen und hoch angesehenen Parteifunktionärs einer Grosspartei, der ich einmal nahestand, erinnert. Dieser besagte Politiker sagte damals zu mir, dass Opposition in Liechtenstein so nötig sei wie ein entzündeter Blinddarm.

Dass wir eine Opposition in unserem Land brauchen, das hat sich in den letzten Monaten so deutlich gezeigt, wie schon lange nicht mehr. So wie es scheint, hat die unabhängige Opposition als einzige politische Kraft erkannt, wie das Stimmvolk tickt. Wir von den Unabhängigen haben uns auf die Fahnen geschrieben, dass wir uns nicht vom reichlich gedeckten Tisch bedienen, wie dies andere politische Akteure immer schamloser tun. Wir haben gesehen, wohin solche Abhängigkeiten führen. Frei nach dem Motto, bist Du nicht meiner Meinung, bekommst Du auch kein Pöstchen oder keinen Auftrag oder deine Leistungsvereinbarung wird gekürzt oder was auch immer.

Leider musste ich in den letzten Jahren vermehrt feststellen, dass in Liechtenstein nicht alle Bürger gleichbehandelt werden. Das bedeutet, dass sich die Maxime, «ich halte lieber das Maul und füge mich der Macht» vor die wahren Werte, bzw. die eigene Meinung, eingereiht hat. Es wird so getan, als ob alle glücklich und zufrieden wären. Andersdenkende werden der Einfachheit halber als populistische Wutbürger, Querulanten und Ewiggestrige abgekanzelt, ja sogar als dumm und ungebildet bezeichnet.

Irgendwie verständlich, denn es geht uns über die Massen gut. Aber reicht denn der materielle Wohlstand aus, brauchen wir nicht etwas mehr, um wirklich zufrieden zu sein? Perfid an der Angelegenheit ist, dass sich diese Ungleichbehandlung schwer beweisen lässt. Das Verteilen von (Wahl-)Gschenkli wurde mittlerweile perfektioniert. Dies ist auch ein Grund, warum sich FBP und VU in friedlicher Koexistenz ergänzen, die Posten unter sich verteilen und manchmal, meist vor Wahlen, einfach so tun, als ob sie sich bekämpfen würden. Das erfordert manchmal Opfer, aber das eine oder andere politische Soldätchen ist in dieser Rechnung einkalkuliert, es dient ja einer grösseren Sache. Dass ein solches Gebaren verführerisch ist, erkennt man an der ältesten Oppositionspartei, der FL, die langsam aber sicher von ihren Idealen abdriftet und sich vom Lichte der politischen Macht blenden lässt.

Damit das System auch funktioniert, wurden über die Jahre zur Sicherheit und zur Legitimation irgendwelche Gremien eingeführt, die gesetzlich legitimer Weise aber aus reinem Eigennutz jederzeit als Alibi genutzt werden können. Der Vorteil ist, dass niemand den Sinn dieser Gremien (Vorsteherkonferenz, Parteivorstände, Ortsgruppen, etc.) hinterfragt, warum auch? Es war immer so… Operette auf höchstem Niveau.

Schöne heile Welt! Das Ganze hat nur einen Haken: es gibt Verlierer, wobei ein grosser Verlierer unsere Gesellschaft, unser Miteinander ist.
Entscheiden Sie selbst, ob ein entzündeter Blinddarm auch etwas Gutes haben könnte. Einer meiner Deutschlehrer sagte einmal zu mir, dass man meist erst in der Krankheit die wahren Werte erkenne.

Liechtenstein braucht die Opposition genauso wie eine reinigende Krankheit und Liechtenstein braucht die Opposition, damit ein faires Miteinander überhaupt möglich ist.

 

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