Hoi du - Archiv
PDF-DownloadDie Geister, die ich rief…
von Jürgen Beck
Gibt man dem Politologen Wilfried Marxer recht, wenn er bei der Analyse der Abstimmungen des Super-Abstimmungssonntags sagt, dass die meisten Meinungen schon recht früh gemacht worden seien, dann kann das nur heissen, dass vor allem die Grossparteien die Volksmeinung von Anfang an nicht gespürt haben. Eigentlich seltsam, weil die sogenannten Volksparteien ja gemäss ihren Aussagen, das Ohr beim Volk haben sollten. Nun, sich täuschen ist menschlich, vor allem die Politik täuscht sich immer wieder.
Was allerdings gar nicht geht, ist wie gewisse Leute die freie Meinungsäusserung mit Füssen treten. Inakzeptabel ist, dass Leute mit anderer Meinung als Querulanten, Neinsager oder gar dumm bezeichnet werden. Gerade diejenigen, die immer vollmundig behauptet haben, dass sie tolerante Demokraten seien, haben sich auf ein bedenkliches Niveau herabgelassen. Bei so manchem übereifrigen Helfershelfern sind die Gäule mächtig durchgegangen. So waren beispielsweise die Aussagen eines ehemaligen Landesplaners, der in seinen Leserbriefen vor Beleidigungen nicht zurückscheute, oder des Präsidenten der Wirtschaftskammer, der die Gegner des S-Bahn als Lügner bezeichnete, in einer beispiellosen Art und Weise unwürdig und zeugen von einem seltsamen Demokratieverständnis. Unglaublich und dennoch entlarvend sind die Aussagen eines ehemaligen Parteipräsidenten der dem Liechtensteiner Stimmvolk nach der Abstimmung «Kleingeistigkeit» vorwarf.
Ich habe diese Beispiele nur exemplarisch aufgeführt, denn sie zeigen auf, wie es um die sogenannte Liechtensteinische Elite steht. Unfähig, die Bedürfnisse der Liechtensteiner zu erkennen, und – was noch schlimmer ist – unfähig eine andere Meinung zuzulassen.
Die S-Bahn-Abstimmung ist typisch für die Untiefen entlang des Liechtensteiner Weges und offenbart uns den Zustand der politischen Elite ungeschönt. Glücklicherweise ist das Stimmvolk klug genug und erkennt, wenn man ihm etwas vorgaukeln will.
Aber wie kann es sein, dass die so hoch dotierten politischen Berater alle falsch gelegen haben? Das liegt meiner Meinung nach daran, dass man in diesem Fall versucht hat, für den designierten Regierungschefkandidaten und seines Zeichens Verkehrsminister Daniel Risch ein wahlkampftaugliches Instrument zu schaffen, dass ihn in den politischen Himmel schiessen sollte. Die Formel ist simpel und man wählt in Ermanglungen von Ideen und Visionen, das Thema Verkehr, an dem schon Generationen gescheitert sind. Das war, wie wir wissen, keine gute Idee, der Schuss ist nach Strich und Faden nach hinten losgegangen. Eine seltsame Rolle spielt dabei der Koalitionspartner, die FBP, welche die Regierungsverantwortung trägt. Hat die FBP naiv dem politischen Mitstreiter VU vertraut oder war da mitunter politisches Kalkül dahinter? Vermuten kann man letzteres, wenn man sieht, wie dem Verkehrsminister nach dem Desaster der Abstimmung genau aus dieser Ecke die Schuld für das Scheitern der Vorlage in die Schuhe geschoben wurde. So geht Führungsverantwortung nicht, das ist verantwortungslos, das ist Kindergarten und nichts weiter.
Geradezu bizarr wird es, wenn man sieht, wie unterwürfig sich Verbände und Privatpersonen vor den Karren spannen liessen. Wenn man sich die einzelnen Akteure genau anschaut, kommt man nicht umhin, ein gewisses Muster zu erkennen. Ohne lange hinzusehen lassen sich Abhängigkeiten und erkaufte Loyalitäten erkennen.
Wirklich schlimm wird es, wenn Stimmbürger von ihren Arbeitgebern unter Druck gesetzt werden oder – wie bei der Wirtschaftskammer geschehen – die Verbandsmitglieder aufs massivste beeinflusst werden sollten. Dem Präsidenten der Wirtschaftskammer empfehle ich hier speziell, über die Bücher zu gehen. Ich jedenfalls fühle mich in einer solchen Interessenvertretung nicht mehr zu Hause.
«Die Geister, die ich rief, werd‘ ich nicht mehr los» lautet das geflügelte Wort. Regierungsrat Risch hat sie gerufen und dann die Kontrolle über ihr Tun verloren. Das dürfte ein Grund dafür gewesen sein, dass er im Abstimmungskampf um «seine» S-Bahn so deutlich unterlag. Das Verdikt des Volkes war eindeutig, da nützen auch die jämmerlichen Erklärungsversuche der in der Abstimmung Unterlegenen nichts, um die Geister loszuwerden. Deshalb würde ich einigen politischen Akteuren und Verbandsvertretern empfehlen über das Ende ihrer politischen bzw. Funktionärskarriere nachzudenken, um so einen Beitrag zu einem «geisterfreien», aber geistvollen und zukunftsfähigen Liechtenstein zu leisten.
Für mich war der Abtimmungssonntag ein guter Tag, der Hoffnung macht. Ich bin sehr stolz darüber, dass so viele Landesangehörige sich nicht haben verunsichern oder vereinnahmen lassen und von ihrem Recht auf freie Meinungsäusserung Gebrauch gemacht haben. Zum guten Glück von uns allen brauchen wir Liechtensteiner keine Geister um Hilfe zu rufen.
Zurück zur Übersicht