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Editorial

2021 Ausgabe 1 Januar 2021 Autor: Pio

Regierungswahl?
Fährt man durchs Land, könnte man den Eindruck bekommen, dass Liechtenstein sich im Wahlkampf um die Regierung befindet. Die beiden Grossparteien, FBP und VU, konzentrieren sich mit ihrer Wahlwerbung auf die so genannten «Spitzenkandidaten», die Regierungschef- und Regierungsratskandidaten. Als ob wir die Regierung direkt wählen könnten!
Am extremsten agiert die FBP: Auf vielen ihrer Plakate ist nur ihre Chefkandidatin zu sehen, daneben ist der Wahlslogan «Bewährtes erhalten. Zukunft gestalten» kaum lesbar klein und wirkt entsprechend leise. Insgesamt präsentiert uns die FBP ihre Regierungschefkandidatin als unsere Merkel/Mutti.
Auch die VU schickt ihre Regierungskandidaten an vorderster Front in den Wahlkampf, ihr Aushängeschild, der Chefkandidat, wird von zwei Amazonen unterstützt. Als Wahlspruch dient eine Spielerei mit dem Wort «Vertrauen». Mit ihren Sprüchen setzen also beide Parteien auf Beständigkeit, also auf das, was bewährt sein und Vertrauen wecken soll. Das kann nur heissen: Bewährt hat sich die Inszenierung der Landtagswahlen als Regierungswahl und das Vertrauen soll man in «Spitzenkandidaten» setzen, von denen weder in der Verfassung noch im Gesetz die Rede ist.

Qual der Wahl
Die fingierte Regierungswahl mag sich in der Vergangenheit für die FBP und VU bewährt haben, vor allem weil so die Wahlen simplifiziert werden können. Mit drei Regierungskandidaten eine Personenwahl vorzugaukeln, mag den Wahlkampf für die Strategen erleichtern, für die Wählerinnen und Wähler werden die Wahlen aber schwieriger.
Die Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner wählen zwar auch bevorzugt Personen, nicht Parteien. Wahllisten werden immer mehr verändert, es werden Kandidaten gestrichen und Kandidaten anderer Parteien auf die Liste geschrieben. Dieses Panaschieren widerspiegelt zwar den wachsenden Trend zur Personenwahl, aber die Regierungsmitglieder kann man trotzdem nicht direkt wählen. Für die Wähler wird so die Wahl zur Qual. Wollte man z.B. die Regierungschefkandidatin wählen, müsste man die FBP bevorzugen, auch wenn man nicht der Mehrheit der FBP-Kandidaten seine Stimme geben möchte.
Nachdem die Parteibindung immer mehr schwindet, dürfte auch das «strategische» Wählen abnehmen. Wer aber bei den Landtagswahlen konsequent Personen, und nicht eine Partei wählt, überlässt die (nur indirekt über den Landtag mögliche) Wahl der Regierung ein Stück weit dem Zufall oder dem Koalitionsgemauschel der Wahlgewinner.

Wahlhilfe?
Kein Zufall ist deshalb, dass es seit einigen Jahren auch bei uns eine so genannte «Wahlhilfe» gibt. Auch in Liechtenstein kennt lange nicht mehr jeder jeden. Das erschwert natürlich Personenwahlen. Auf wahlhilfe.li werden die Kandidaten anhand von 53 Fragen, die zu beantworten sind, politisch sortiert. Die Wählerinnen und Wähler, die viele Kandidaten nicht mehr persönlich kennen und mit den Parteien nichts am Hut haben, können mit «Wahlhilfe» herausfinden, wessen Ansichten und Einstellungen sich am meisten mit den eigenen decken. Von «Wahlhilfe» bekommt der geneigte Wähler also Wahlempfehlungen.
Vaterland und Volksblatt, haben die «Wahlhilfe» analysiert. Anscheinend sind aufgrund der Antworten auf die 53 Fragen die meisten aller 75 Landtagskandidaten politisch in der Mitte links einzuordnen. Ausser den Kandidaten der DU. Sollte das stimmen, stellt sich die Frage, wie genau die zur Wahl stehenden Kandidaten das Volk repräsentieren? Ist Liechtenstein politisch betrachtet wirklich mehrheitlich links von der Mitte?
Kann «Wahlhilfe» tatsächlich weiterhelfen? Oder hilft Wahlhilfe etwa, mehr oder weniger, ähnlich wie z.B. ein Familienoberhaupt, das die Wahlzettel des Partners/der Partnerin und/oder der Kinder zur Post bringt?

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