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Editorial

2019 Ausgabe 4 Oktober Autor: Pio Schurti

«Pecunia non olet», soll der römische Kaiser Vespasian gesagt haben, um seine Latrinen-Steuer zu rechtfertigen: Geld stinkt nicht.

Damit hatte er wohl recht. Dennoch stinkt es den Bürgerinnen und Bürgern auch heute noch, wenn wieder einmal die Steuern angehoben oder neue Abgaben (wie CO2-Abgaben) oder Gebühren erhoben werden. So stank z.B. die Regenwassergebühr von Triesen bis zum Himmel, so dass der neue Gemeinderat sich eines Besseren besann und die Gebühr auf Null setzte.

Die Menschen haben aber nicht nur die Nase voll, wenn Staat oder Gemeinde sich mittels Steuern, Abgaben und Gebühren neue Einnahmequellen schaffen. Menschen haben auch ein feines Näschen dafür, wenn Privatpersonen z.B. sehr rasch viel Geld verdienen oder ihr Geschäft etwas anrüchig scheint. Liest man die Leserbriefe in unseren Tageszeitungen, merkt man, dass der Casino-Boom in Liechtenstein nicht wenigen Landesangehörigen unangenehm in die Nase sticht.

Dies kommt nicht von ungefähr. Anfang der 30er Jahre – das Geld war damals wirklich knapp – nahm 1933 ein britisches Lotterieunternehmen im Engländerbau seine Geschäfte auf. Dies beleidigte die Nase vieler, vor allem der Roten (VU). Warum? Unter den zu wenig wachsamen Augen der VU-Regierung (1922-1928) hatten die Bank-Verantwortlichen zu hoch gepokert, u.a. indem sie die sog. Klassenlotterie bis nach Rumänien ausgeweitet hatten. Die spekulativen Geschäfte der Sparkassa brachten Liechtenstein (aufgrund der verbürgten Staatsgarantie) an den Rand des Ruins. Weil mehrere Bank-Verantwortliche der VU angehörten, wurde sie von den Schwarzen (FBP) für den Sparkassaskandal von 1928 verantwortlich gemacht. Die VU verlor die nächsten Wahlen, von 1928 bis 1970 regierte die FBP.

Auch die Lotterie-Geschäfte im Engländerbau scheinen nicht gut gelaufen zu sein, jedenfalls gab das britische Unternehmen schon 1934 wieder auf.

Vor dem Hintergrund verwundert es nicht, dass vor allem Rote die Nase rümpften, als unter einer VU-Regierung 2010 das neue Geldspielgesetz vom Landtag verabschiedet wurde und ausgerechnet ein VU-Wirtschaftsminister 2016 dafür sorgte, dass die Lizenz, ein Casino zu betreiben, in einem liberalen Bewilligungsverfahren vergeben werden kann.

Auch das vor ein paar Wochen im Oktober-Landtag einstimmig verabschiedete Token- und VT-Dienstleistergesetz (TVTG) – auch Blockchain-Gesetz genannt – lässt viele die Nase rümpfen. Das Gesetz reguliert den Handel und andere Geschäfte mit Kryptowährungen, von denen Bitcoin die bekannteste ist. «Mit dem TVTG wird ein wesentliches Element der Finanzplatzstrategie der Regierung umgesetzt und Liechtenstein als innovativer und rechtssicherer Standort für Anbieter in der Token-Ökonomie positioniert», erklärte Regierungschef Adrian Hasler in einer Mitteilung. Hasler hat, so hat man jedenfalls den Eindruck, sowas wie das Patronat für Krypto-Unternehmen und -Geschäfte übernommen. Die Regierung bzw. das Handelsregister scheint einem Krypto-Unternehmer sogar erlaubt zu haben, eine Website mit dem Namen «Crypto Nation Liechtenstein» zu betreiben, auf der das neue Blockchain-Gesetz in höchsten Tönen den Krypto-Investoren und -Unternehmern rund um die Welt schmackhaft gemacht wird. Auf der Website gibt es kein Impressum, in dem ihr Besitzer und Betreiber sofort identifiziert werden könnte. Immer öfter flutschen E-mails mit Bitcoin-Angeboten in den Computer, die von Domänen mit der Endung .li abgeschickt wurden, deren Besitzer sich aber irgendwo von Deutschland über Spanien bis Canada befinden.

Bitcoin und andere Kryptowährungen mögen ebenso wenig stinken wie Geld. Aber das neue kryptische, um nicht zu sagen, obskure oder gar dubiose Geschäftsfeld hinterlässt doch «a Gschmäckli». Zumindest ausserhalb von Regierung und Landtag.

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