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Editorial

2020 Ausgabe 1 Mai 2020 Autor: Pio Schurti

In Krisenzeiten kommt zu Tage, wie Menschen miteinander umgehen. Vorbildliches gemeinwohl-orientiertes Handeln ist ebenso zu beobachten wie gemeines, egoistisches Verhalten. In keiner Gemeinschaft ist der Gemeinsinn bei allen gleichermassen ausgeprägt.

Auf individueller Ebene zeigt sich dies z.B. in Hamsterkäufen, obwohl noch lange kein Lebensmittelnotstand herrscht.
Auf internationaler Ebene hat sich gezeigt, dass wohl die Wirtschaft globalisiert ist, die Solidarität aber nicht. So wie jedem von uns das eigene Hemd letztlich am nächsten ist, sind Staaten sich halt auch selbst am nächsten. Das darf so sein. Wir alle kümmern uns ja auch zuerst um die eigene Familie.

Unsere Regierung hat es gut gemacht. In Zusammenarbeit mit der Schweiz, unter Einhaltung der Verträge, die Liechtenstein mit der Eidgenossenschaft hat, sind wir in dieser Corona-Zeit bisher mehr als nur gut gefahren.

Natürlich gibt es Fragen, was z.B. die Beschränkung der Wirtschaftsfreiheit betrifft. Waren die Massnahmen gegen Corona alle verfassungsmässig? Wurde unsere Direkte Demokratie zu sehr eingeschränkt oder gar beschädigt? Werden die angeblich gefährdeten Senioren zu sehr bemuttert von Vater Staat? Würde es nicht genügen, die wirklich Gefährdeten, also all jene mit Vorerkrankungen, besonders zu schützen?

Wie machen wir es das nächste Mal, wenn eine Krise kommt, besser? Im Landtag wurde die Forderung gestellt, dass ein externes Gutachten eingeholt werde. Nein! Der Landtag, unsere Volksvertretung, soll sich Gedanken machen, wie aus (verfassungs-)rechtlicher und politischer Sicht die Massnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Krise zu beurteilen sind. Der Landtag ist der Gesetzgeber. Er soll erörtern, ob und wie Gesetze und Verfassung umgesetzt wurden.

Das ist natürlich nicht einfach, wenn der Landtagspräsident, Albert Frick, einem ehemaligen Landtagsabgeordneten, Paul Vogt, in einem Leserbrief vorwirft, er sei ein Selbstdarsteller oder gar Spaltpilz, nur weil er, Vogt, es gewagt hat, in einem Leserbrief seine Bedenken bezüglich der Verfassungsmässigkeit der getroffenen Massnahmen zu veröffentlichen.

Wo sind denn die Selbstdarsteller tatsächlich? Ist es nicht Selbstdarstellung, wenn sich die Aussenministerin aufplustert, Liechtenstein spiele im Zusammenhang mit einer Corona-Resolution der UNO eine «Führungsrolle»? Wir, Liechtenstein, eine Führungsrolle im Kampf gegen diese globale Pandemie? Solche Angeberei könnte einem das Fremdschämen beibringen.
Der Landtagspräsident überlegte sich auch, ob der April-Landtag überhaupt durchgeführt werden solle. Noch unwürdiger hat sich nur das ungarische Parlament verhalten, als es sich quasi in Corona-Urlaub begab und alle Verfügungsgewalt Ministerpräsidenten Orban übergab.

Und dann kam der Mai-Landtag. Die Fraktion der Mehrheitspartei (FBP) hatte eine Petition eingereicht, mit welcher die Regierung aufgefordert werden sollte, allen Landesangehörigen einen Einkaufsgutschein über CHF 200 auszustellen, um die heimische Wirtschaft anzukurbeln. Die Petition wurde vom Landtag abgeschmettert. Landtagspräsident Frick hatte sie ebenfalls unterschrieben, obwohl er wohl bestens wissen muss, dass eine Petition kein Instrument der Abgeordneten ist. Es steht einer Fraktion nicht zu, eine Petition einzureichen.

Recht und Gerechtigkeit beruhen zu einem grossen Teil auf korrektem Vorgehen. Verfahren sind einzuhalten, auch in Corona-Zeiten. Es ist ureigenste Aufgabe des Landtags zurückblickend zu prüfen, ob Verfassung, Gesetze und Verfahrensbestimmungen eingehalten und umgesetzt wurden.

Im Recht und in der Politik ist das Verfahren, was unter Menschen der Umgang ist. Auch wenn ein Virus in der Luft hängt, Umgang und Verfahren sollten korrekt bleiben. Darin zeigt sich der Zusammenhalt einer Gemeinschaft.

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