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Zu viel spricht dagegen – darum NEIN

2019 Ausgabe 4 Oktober Autor: Ado Vogt

Am 11. Mai 2018 schrieb das Volksblatt: «Krankenkassenverband warnt vor ruinösem Spitalwettbewerb».

Was war passiert? Die Eröffnung der Medicnova stürzte das Landesspital in eine tiefe Krise. Die Finanzen stimmten hinten und vorne nicht, jedes Jahr wurden die Zahlen weit verpasst, der Landtag durfte mit einem Notkredit das Überleben sichern. Das war 2017, also vor zwei Jahren.

Mittlerweile hängen die Trauben wieder hoch. Die Medicnova ging bankrott und wir haben immer noch recht viel Geld auf der hohen Kante. Die Parteien, voll im Wahlkampfmodus, überbieten sich gegenseitig mit Wahlgeschenken. Vor diesem Hintergrund muss auch die Spitalsabstimmung gesehen werden.

Die Spitalsführung, der Gesundheitsminister und Vertreter der Parteien fühlen sich stark genug, nun auf Angriff zu gehen. Was vor kurzer Zeit noch Tabu war, nämlich in direkte Konkurrenz bei der Grundversorgung mit dem Spital Grabs zu treten, ist nun auf einmal ein Argument für den Spitalneubau. So zumindest der Parteipräsident der VU in seinem Beitrag im «klar.» Dass dieser Wettbewerb bei allen anderen öffentlichen Dienstleistungen und der Grundversorgung nicht sinnvoll ist, wird tunlichst verschwiegen.

Mit der Medicnova folgte direkt eine Mengenausweitung. Mengenausweitungen sind für unseren Gesundheitsminister Pedrazzini aber so etwas wie der Beelzebub.

Mehr Mengen, also mehr Angebot, bedeuten automatisch mehr Nachfrage, denn die Ärzte wollen beschäftigt, die teuren Apparate ausgelastet, die Betten besetzt und die Medikamente verkauft sein.

Mehr Nachfrage bedeutet höhere Kosten, höhere Gesundheitskosten führen früher oder später zu höheren Krankenkassenprämien. Deshalb stiegen die Gesundheitskosten in den letzten Jahrzehnten stetig an.

Dieses «Pedrazzini’sche Axiom» – steht in jedem Bericht und Antrag aus seinem Ministerium, wenn es um Gesundheitskosten geht – stiess bei mir seit Beginn meiner Landtagszeit vor knapp drei Jahren auf Verständnis.

Der Gesundheitsminister legte sich in Folge mit einigen Hausärzten an, kappte Tarife und ging nicht gerade zimperlich mit einigen Vertretern der Ärzteschaft um. Ein Arzt, der mehr Leistungen als der Durchschnitt abrechnete, geriet rasch in den Verdacht, sich auf Kosten der Versicherten zu bereichern. Was mit der Medicnova passierte, ist bekannt.

So weit, so nachvollziehbar.

Beim geplanten Neubau des Landesspitals, über welchen wir am 24. November abstimmen dürfen, gelten die oben nachvollziehbaren Kriterien für ihn auf einmal nicht mehr.

Egal, ob das medizinische Angebot ausgebaut wird, indem Belegärzte etwa aus Grabs abgeworben, neue Leistungen eingeführt, mehr Ärzte fix angestellt oder über zusätzliche Behandlungsmethoden nachgedacht oder gar wieder eine Geburtenstation eröffnet wird: Die Kosten sollen nicht steigen? Wer das glaubt, wird selig.

Es wird krampfhaft versucht, dem Volk weiszumachen, dass das Landesspital auf einer Insel der Glückseligen steht. Dabei kooperieren und – in einigen Bereichen eher profitieren – wir in vielen Bereichen seit Jahrzehnten sehr zu unserem Vorteil mit der Schweiz. Nicht nur im Gesundheitswesen, sondern in der Bildung (Berufsschulen, Universitäten), Verkehr (Autobahn, Zug, Flughafen), Wirtschaft (Währung, Zölle) arbeiten wir eng mit unserem Nachbarn zusammen. Noch nie habe ich das Argument gehört, dass wir aufgrund der fehlenden Berufsschulen in Liechtenstein als nicht souveräner Staat wahrgenommen werden.

Eine Studie der PwC, welche von der Regierung im April 2018 präsentiert wurde, drückte den Vorteil der Zusammenarbeit im Gesundheitswesen mit den Nachbarn noch deutlicher aus:

«Ein Vorteil der Mitbenutzung ausländischer Einrichtungen wird ausserdem die Eröffnung einer Wahl-

freiheit für öffentliche Leistungen angeführt, […]». Weiters steht: «Der Fremdbezug im Ausland führt gemäss der Studie üblicherweise zu kostengünstigeren Lösungen» […].

In Liechtenstein gibt es ein Potenzial von max. 6‘500 Fallzahlen und somit von stationären Behandlungen pro Jahr.  Das sind also alle in Liechtenstein wohnhaften Personen, die sich einer stationären Behandlung irgendwo unterziehen lassen. Diese verteilen sich auf sämtliche Vertragsspitäler in Liechtenstein, der Schweiz und Österreich. Hierzu sagt die oben erwähnte Studie aber, «[…] dass für die nächsten Jahre von eher stagnierenden stationären Bedarfen auszugehen ist.» Das bedeutet, dass eher mit weniger als den 6‘500 potenziellen Fallzahlen gerechnet werden muss. Durch die Einführung des Ambulant-vor-Stationär-Konzepts werden Patienten heute nicht mehr automatisch über Nacht im Spital behalten.

Ein Grundversorgungsspital, wie das Landesspital ist, muss 4’000 bis 5‘000 Fallzahlen pro Jahr haben, um nachhaltig wirtschaftlich überleben zu können. Vaduz hat dieses Jahr etwa 2‘000. Als die Medicnova noch existierte, weniger als 1‘600.

Damit der Spitalneubau sinnvoll ist, müssen also theoretisch knapp drei Viertel aller Patienten aus Liechtenstein zukünftig ins Spital Vaduz gehen. Da frage ich nun diejenigen, welche ein JA in die Urne werfen: Seid ihr dann auch so konsequent, und geht nicht nach Grabs, Zürich oder St. Gallen, wenn ihr mal akutmedizinische Hilfe und Pflege braucht?

Denn das ist die logische Konsequenz. Wenn der Bau dann steht und die Zahlen nicht passen, wird ein möglicher Schritt sein, zumindest für einige Patienten die freie Spitalwahl aufzuheben. Das Argument wäre sogar schlüssig: Ihr wolltet das Spital, dann geht auch dahin.

Dies bestätigt der Urologe Dr. Patrick Markart in der LieZeit, der als Belegarzt in Vaduz und Grabs tätig ist. In Gesprächen mit seinen Patienten käme von vielen als Rückmeldung, dass ein Spital zwar gewünscht sei, man sich dann aber selbst doch lieber in einer Privatklinik in der Schweiz behandeln liesse.

Fallzahlen sind aber nicht nur für das nachhaltige Budgetieren und Kalkulieren wichtig, sondern sie sind ein wichtiger Indikator für die Qualität eines Spitals. Damit meint man, dass ein Arzt, welcher weniger als eine gewisse Anzahl Eingriffe durchführt, einfach nicht die nötige Erfahrung und Routine hat. Das klingt logisch, so vertrauen wir doch auch eher auf einen Handwerker, der nicht nur einmal in der Woche seinem Beruf nachgeht.

Diese Routine ist also zwangsweise vorgeschrieben, zumindest hat sich das Landesspital auf das so genannte «Zürcher Modell» festgelegt. «Weiter zeichnet sich in der Schweiz ab, dass der Regulator zunehmende Vorgaben macht bzgl. Volumen und Qualität, z.B. Mindestfallzahlen pro Spital und/oder pro Arzt, […]» – nachzulesen in der bereits zitierten PwC-Studie.

Das heisst also, das Landesspital wird auf Teufel komm raus Fallzahlen bolzen müssen. Das, was bei einigen Hausärzten für Gerichtsprozesse gesorgt hat, gilt für das Landesspital nicht mehr. Wer kann das verstehen?

Eines ist sicher: Wenn das Spital steht, gibt es mit den Nachbarn nichts mehr zu verhandeln. Dann wiederholen wir den gleichen Fehler, den die St. Galler bereits gemacht haben. «In Bezug auf die Leistungserbringer ist teilweise ein Infrastruktur-Wettrüsten entstanden». So folgert die Studie.

Die Spitallandschaft ist in der ganzen Schweiz in grossem Umbruch, kaum ein Spital erreicht die vorgegebenen Zahlen, um nachhaltig wirtschaftlich zu operieren. Auf Seite drei dieser Ausgabe drucken wir zahlreiche Titel ab, welche die Problematik mit den hohen Spitalkosten und die möglichen Auswege aufzeigen. Kurz vorab: Kooperation statt Konkurrenz.

Für mich steht ausser Frage: Eine Grundversorgung ist wichtig, ohne Zweifel. Dabei muss erwähnt werden, dass der grösste Teil der Grundversorgung durch die Haus- und Fachärzte, Apotheker, Psychologen und andere erbracht wird. Diese Grundversorgung zu stärken wäre meiner Meinung nach zielführender und kostengünstiger. Denn der Hausarzt kennt seine Patienten, kennt die medizinische Geschichte und kann so meist einfacher, rascher und persönlicher die nötige Diagnose stellen.

Kleine Notfälle und einfache Eingriffe müssen durch diese Fachkräfte erbracht werden. Hier eine Konkurrenzsituation herbeizuführen, halte ich für einen kapitalen Fehler.

Ein Notfall im Spital kostet mehr als das Doppelte als beim Hausarzt. Dass es mittlerweile ein Problem ist, wenn man direkt in die Notaufnahme eines Spitals anstatt zum Hausarzt geht, zeigt die aktuelle Diskussion in der Schweiz. Dort denkt man laut darüber nach, eine Gebühr zu erheben, wenn man wegen einer Bagatelle in den Notfall rennt.

Wenn also Eingriffe und Behandlungen von den Hausärzten weg zum Spital wandern, wird weder die Qualität verbessert noch werden Kosten gespart.

Exponenten der  du – die Unabhängigen haben in jeder Landtagssitzung gefordert, zuerst mit Grabs ein offenes Gespräch zu suchen und erst dann allenfalls einen Neubau zu planen. Aber vermutlich haben persönliche Animositäten zwischen den involvierten Personen beiderseits des Rheins dies in der Vergangenheit verhindert.

Nun herrschen aber andere Zeiten, die politischen Signale aus dem Kanton St. Gallen sind klar. Man kann wieder miteinander verhandeln, es wurden sogar konkrete Angebote gemacht.

Dabei sollten wir aber auch nicht das Spital Grabs als Ausbildungsstätte und Arbeitgeber für viele Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner vergessen. In Grabs arbeiten mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Wohnsitz in Liechtenstein als am Spital Vaduz!

Wenn diese Verhandlungen nichts ergeben, haben wir aufgrund der guten finanziellen Lage jederzeit die Möglichkeit, unser Landesspital zu erneuern (wobei Erneuerung nicht automatisch Neubau bedeutet). Aber ohne das Gespräch mit Grabs bzw. St. Gallen zu suchen, ist es kurzsichtig, ein neues Spital zu bauen. Und: Das Gespräch und eine Kooperation mit Grabs nicht zu suchen widerspricht dem Volkswillen, wie er in der Abstimmung von 2011 zum Ausdruck kam. Über 90% derjenigen, die an der Spitalneubau-Abstimmung in 2011 teilnahmen, sagten in einer Umfrage nach der Abstimmung: Wir wollen keinen Konkurrenzkampf.

Das Gebot der Kooperation wird seitens der Regierung stets als oberste Maxime für einen Kleinstaat wie Liechtenstein gepredigt. Mit UNO, EU und anderen internationalen Organisationen kann es gar nicht genug Zusammenarbeit geben. Mit Grabs, für viele Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner ein zweites Landesspital, gilt das jetzt auf einmal nicht mehr. Das macht doch keinen Sinn.

Zu viel spricht gegen einen Neubau des Landesspitals. Man kann Probleme nicht einfach mit einem Neubau lösen.

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